Als es toll war, “schlecht” auszusehen …

Kennengelernt haben wir uns, als wir noch keine zwanzig waren. Du wohntest noch in Messingen. Meine Eltern waren gerade zu meinem großen Entsetzen aufs Land gezogen. Keine Frage, ein sehr schöner alter Bauernhof mit großen Garten, Schafen … ein Traum.  Nur dass dieser Traum für eine Siebzehnjährige echt keine freudige Überraschung war.

Dann habe ich Dich auf einer Party in Lingen kennengelernt, von einem Freund von Dir aus Handrup. Den Namen habe ich vergessen. Ich war mit Ralf dort. Heute Jazzmusiker, wo noch gleich? Nun das ist eine andere Geschichte …

Seit diesem Abend sind wir immer mal wieder mit Deinem kleinen Mini zu Partys und in die Rockfabrik oder nach Bippen gefahren – damals nannte man das noch Diskothek. Und ich war froh, dass Du im Nachbardorf gewohnt hast und mich mitnehmen konntest.

Zudem haben wir viel über den Zustand der Welt diskutiert. Ich erinnere mich noch an ein mit Bleistift gezeichnetes Bild von der Erde, die von einer Hand zerdrückt wurde und auf einem Korkstück befestigt war.  Wer von uns beiden hatte das gezeichnet? Waren wir gemeinsam in der Bürgerinitiative gegen Kernkraftwerke oder haben wir nur diskutiert? Das haben wir viel getan, nächtelang. Genau erinnere ich mich auch an den Morgen, als Du zu mir nach Hause gekommen bist mit der Tageszeitung in der Hand und ganz angetan warst von dem Foto Deiner Volleyballmannschaft. Dich hat begeistert, wie “schlecht” Du auf dem Foto aussahst, blass mit Augenringen … Wir haben damals doch einige Zeit darauf verwandt, “schlecht” auszusehen, ausgemergelt, blass, mit Augenringen (mit Kajal unterstützt), wie nach einer Nacht ohne Schlaf, bloß nicht gesund …

Während Deines Zivildienstes mit Ralf habe ich Dich auch noch besucht. Dann bin ich nach Münster gezogen zum Studieren und habe Dich immer mal wieder an Deinem Studienort in Osnabrück besucht. Und auch in den ersten Jahren in Berlin haben wir uns noch ab und zu getroffen und uns dann zunehmend aus den Augen verloren … Nur ganz selten habe ich von Dir gehört – jemand hatte Dich auf dem Fahrrad vorbeiradeln sehen …
Freudig überrascht habe ich Dich dann nach Jahren am Bahnhof  in Berlin getroffen. Ich war auf dem Weg zu meinen Eltern und Du auf dem Weg zur Arbeit. Eine gemeinsame Zugfahrt, Zeit, in der Du mir von den wichtigen und beindruckenden Stationen Deines beruflichen Lebens und aus deinem privaten Leben erzählt hast.

Vielleicht können wir uns ja mal wieder  (nach einer durchwachten Nacht schlecht aussehend) treffen und über den Zustand der Welt sprechen … oder auch nur Anekdoten aus der Jugend austauschen. Ich würde mich freuen.

Herzlichen Glückwunsch, lieber Günter!
Petra