Halle-Neustadt im Jahr 2021 – Ausgangspunkte (m)eines Ankommens

Der Blogbeitrag stellt ein kleines Schreibexperiment dar. Anlass dazu gab mein Ankommen an einem neuen Wohnort, das ich in (Selbst-)Beobachtungen festhalte, und nicht etwa ein Forschungsprojekt. Dennoch könnte man den Text als ein Resultat (auto-)ethnografischer Forschung und diese versuchshalber mit dem Begriff der “neugierigen Nachbarin” fassen. Ohne bereits vorab zu wissen, was daraus entsteht, sind Text & Bild vorläufige Ansichten meiner Annäherung an Halle-Neustadt.

Heike Kanter im Februar 2021[1]

Bild 1: Karte von Halle-Neustadt[2]

“HaNeu” oder “Endstation Plattenbau”? Eine Frage der Perspektive

Halle-Neustadt ist als Neubaugebiet in den 1960-1980iger Jahren entstanden. Um 1980 hatte die DDR-Plattenbausiedlung knapp 94.000 Einwohner*innen und erfährt seitdem einen massiven Wandel. Je nach Perspektive wird von “HaNeu” – wie es der Volksmund nennt – als einstiger Vorzeigeplanstadt der Ostmoderne[3] gesprochen oder aber despektierlich von der “Endstation Plattenbau”[4][5]. Sozialwissenschaftlich betrachtet zeichnet sich Halle-Neustadt durch eine starke Segregation aus; die Einwohner*innenschaft setzt sich aus alteingesessenen Rentner*innen, weiß-deutschen Hartz4-Empfangenden sowie vorwiegend seit 2015 zugezogenen Menschen mit internationaler Geschichte zusammen.[6] Befragt man Hallenser*innen nach HaNeu, kommen vielfältige Aussagen. Je nach Perspektive, aus der gesprochen wird, etwa als Anwohner*in, Aktivist*in oder Hallenser*in mit familialen HaNeu-Bezug, wird an die schöne Vergangenheit erinnert oder die Gegenwart problematisiert. (Über diese Gegensätze rappt Trettmann in Grauer Beton.)

Persönliche Annäherungen an Halle-Neustadt

Seit meiner Entscheidung, nach vielen Jahren Berlin zu verlassen und gen Halle zu ziehen, fragte ich mich im Herbst und Winter 2020/2021 immer wieder, wie ich zukünftig wohnen möchte. War ursprünglich meine Idee, in eine WG zu ziehen, wurde mir bei den Angeboten schnell deutlich, dass wohl über 40-jährige Personen kaum noch in WGs wohnen, zumindest war die Auswahl äußerst dürftig. Gut, dachte ich mir, dann ziehe ich eben nicht ins altstädtische Paulusviertel, das beliebte “Prenzlauer Berg” Halles, sondern lieber gleich “richtig in den Osten” (so meine eigenen Worte). Und so kam Halle-Neustadt ins Spiel. Dort gibt es zumindest bezahlbare 2- oder 3-Raum-Wohnungen, und meine Freund*innen aus Berlin können mich wie versprochen besuchen. Ende Dezember schwenkte ich somit auf Wohnungssuche um. Ich begann, auf der Karte zu eruieren, dass vor allem der nördliche Teil der Neustadt durch seine Nähe zur Altstadt für mich in Frage käme, und ab Januar verschaffte ich mir durch diverse Besichtigungen einen ersten Eindruck vor Ort.

Als mir klar wurde, dass ich an einen äußerst spannenden Ort ziehe – einst sozialistische Vision, heute (in Teilen) “sozialer Brennpunkt” – kam mir ebenfalls die Idee, das für mich Neue und Auffällige in einem Tagebuch festzuhalten. Seitdem notiere ich mir Anekdoten und Begegnungen, aber auch, was mir beim Sprechen über HaNeu an Anderen sowie an mir selbst auffällt. Außerdem beschäftige ich mich mit der Geschichte dieser Neustadt, Konzepten zur Stadtentwicklung sowie sozialpolitischen bzw. künstlerischen Interventionen in den letzten zwei Jahrzehnten.

Bild 2: “Diese Weite!”

Methodische Inspiration – den subjektiven Blick im Forschungstagebuch offenlegen

Warum ist mein Ankommen in HaNeu nun interessant in einem Geburtstags-Blog für Günter Mey? Durch ihn habe ich den Gewinn der Arbeit mit einem Forschungstagebuch kennengelernt. Darin kann im Sinne der Grounded-Theory-Methodologie von Beginn eines Projektes an alles an Gedanken, Ideen oder auch kursorischen Notizen Platz finden[7]. Es dient dazu festzuhalten, was womöglich im späteren Forschungsverlauf relevant werden könnte oder auch, was später aus dem Bewusstsein rückt, etwa die ersten Beobachtungen. Ein Notizbuch zu führen ist nicht nur im Hinblick auf die Selbstreflexion forschenden Handelns überaus produktiv[8], sondern es kann auch allgemeiner dienlich sein, nämlich als Annäherungsweise an etwas Neues, in meinem Fall an das Leben in der “Platte”. Es hilft mir – als einer im Umfeld einer bürgerlichen, westdeutsch-weißen* Einfamilienhaus-Nachbarschaft aufgewachsenen und später vor allem in den Berliner Altbau-Kiezen Kreuzberg und Neukölln sozialisierten Person – Auffälliges festzuhalten. Die eigene Subjektivität im forschenden Agieren nicht nicht explizit zu machen, ist seit der Etablierung der qualitativen Sozialforschung zumindest zu begründen. Für mich stellt sich jenseits dessen die Frage, inwiefern mich mein soziologisches Auge als Teil meines hiesigen Alltags begleiten wird?[9] Denn wenn Forschung zu etwas dienen kann neben der Produktion von neuem Wissen, dann womöglich für die differenzierte Wahrnehmung sozialer Gemengelagen? Dass in der Neustadt spätestens seit 2015 unterschiedliche Welten im Alltag “aufeinanderstoßen”, wurde mir in den Gesprächen mit in Halle lebenden politisch und/oder forscherisch tätigen Freund*innen sowie meinen Verwandten schnell vermittelt.[10] Und zugleich kommen bereits spezifische Perspektiven auf die Neustadt zum Ausdruck. Umso wichtiger erscheint es mir, mein eigenes Ankommen nicht allein aus autobiografischen Gründen festzuhalten, sondern es immer auch in Relation zu setzen zu den vielen Lebensgeschichten von Alteingesessenen und Neuzugezogenen, und dabei notwendigerweise die Rahmenbedingungen (m)einer privilegierte(re)n Position offenzulegen.

Bildd 3: “Fundstücke”

Meine sozialstrukturell betrachtet “luxuriösen” Ausgangspunkte sind die selbstbestimmte Entscheidung, nach Halle zu gehen, bereits über soziale Kontakte in die Stadtgesellschaft zu verfügen und obwohl (noch) ohne Job dennoch erst einmal finanziell abgesichert zu sein. So habe ich viel Zeit und bin sehr offen, was eine gute Voraussetzung ist, mit den Ansässigen ins Gespräch zu kommen. Da dies nicht allein Selbstzweck bleiben soll, reflektiere ich außerdem, wie ich mit dem Gehörten umgehe.

Forschungsethische Problemlage – Gehörte Anekdoten erzählen?

Bisher bin ich bei meinen kurzen Kontakten in HaNeu als (zukünftige) Bewohnerin aufgetreten. Für den hiesigen Beitrag, und vor allem für das zukünftige Sammeln von Anekdoten, stellt sich mir nun die Frage, ob ich erlebte Situationen und vor allem persönliche Geschichten, die mir erzählt wurden, veröffentlichen kann, wenn mir die Protagonist*innen dafür nicht ihre Zustimmung gegeben haben? Denn kommen Forschende in ein neues Feld, dann informieren sie üblicherweise ihre Gegenüber über ihr Handeln, womöglich nicht beim Erstkontakt, wohl aber wenn sie länger im Feld bleiben[11]. Auch Journalist*innen geben sich als solche aus, wenn sie etwa eine Reportage vor Ort machen, es sei denn, das Thema erfordert eine verdeckte Recherche wie beispielsweise innerhalb der rechtsextremen Szene.

Nun verhält es sich in meinem Fall so, dass ich in erster Linie eine Nachbarin bin. Ich bin nicht hier hergezogen, um zu forschen, sondern ich lebe (nun) hier. Zwar ist mir eine forschende Perspektive aufgrund meiner Berufserfahrungen eingeschrieben, aber sie ist hier nicht erste Motivation meines Tuns – das (Forschungs-)Tagebuch ist gewissermaßen ein Beiprodukt meiner “ersten Zeit am neuen Ort”[12]. Es würde meines Erachtens auch nicht funktionieren, dass ich Menschen, mit denen ich ins Gespräch komme, anschließend frage, “ach, das war jetzt aber interessant, ich bin übrigens Forscherin, darf ich ihre Anekdote irgendwann einmal in der Zukunft veröffentlichen?”. Damit handelt es sich also bei meinem “Zugang” um eine spezifische Form (auto-)ethnografischer Forschung[13], die ich vorläufig als die der “neugierigen Nachbarin” fassen möchte. So habe ich mich letztlich dafür entschieden, die gehörten Anekdoten zu erzählen, da sie einer “Unbekannten” erzählt wurden. (Eine informierte Einwilligung[14] lässt sich daher auch nicht ex post klären.) Ich sehe es als vertretbar an, diese kleinen Geschichten kundzutun, womit ich sie jedoch zugleich rahme und zuordne. Und weiterhin zeigt diese kurze Reflexion auch, dass es sich in meinem Fall um eine spezifische Variante des “Eintauchens” handelt. Die Problematik eines “going native” stellt sich gewissermaßen erst gar nicht, vielmehr ist die Nähe zum “Feld” bereits durch das Wohnen am Ort nicht nur unvermeidbar, sondern vielmehr erwünscht.

Mein Wunsch nach Begegnung und danach, Erfahrungen und Eindrücke zu hören, um ein besseres Verständnis von den Lebensumständen, Relevanzsystemen und Problemlagen am Ort zu erhalten, sollte also nicht allein dazu dienen, meine eigene “Neugierde am Menschen” oder diejenige meiner Freund*innen sowie forschender/journalistischer Kolleg*innen zu befriedigen. Vielmehr soll es auch eine Grundlage sein herauszufinden, wie ich mich hier zukünftig einbringe werde; doch dazu an anderer Stelle mehr, nun erst einmal Anekdoten.

Anekdoten aus der Plattenbausiedlung – Wohnungssuche

Das Eintauchen in meine Nachbarschaft begann mit der Wohnungssuche, die bereits erste Aha-Erlebnisse für mich bereithielt, zunächst beim Eruieren des Wohnungsmarktes. Die Neustadt ist zwischen verschiedenen Immobilienunternehmen aufgeteilt. Auf der einen Seite gibt es die überregional agierenden Immobilienkonzerne, die zum Teil nicht nur mit windigen Angeboten und problematischen Vertragsabschlüssen (Kündigungsausschluss) “locken”, sondern ebenfalls höhere Mieten veranschlagen als im Mietspiegel üblich; dies geschieht mit dem Wissen, dass diese “vom Amt” übernommen werden, sprich, die Vermietung ist auf Hartz4-Empfangende ausgerichtet. Auf der anderen Seite stehen die städtischen Wohnungsbaugenossenschaften, die zumindest einen gemeinwohlorientierten Auftrag haben und immerhin notwendige Vertragsunterlagen mehrsprachig anbieten, wohl aber zwischen ihren Mieter*innen unterscheiden. So wurde ich etwa im Telefonat darauf hingewiesen bzw. gefragt, ob ich wüsste, dass eine von mir über die Datenbank gefundene Wohnung nahe der Moschee liege. Weiterhin gibt es kleinere Unternehmen, die über nur wenige Objekte verfügen. Bei allen Besichtigungen war ich alleine mit den jeweiligen Verwalter*innen, hatte immer Bedenkzeit und konnte zum Teil über die Ausstattung verhandeln; eine etwa für Berliner Innenstadtbezirke undenkbare Situation. Zum Teil stehen in der Neustadt ganze Gebäude leer, und seit 1990 wurden vielfach “Platten” abgerissen, die Zahl der Einwohner*innen liegt heute bei ca. 45.000, das ist weniger als die Hälfte im Verhältnis zu den “Glanzzeiten”.

Just aus dem “überfüllten” Berlin kommend, in dem auch in den Plattenbausiedlungen Marzahn oder Hellersdorf nur noch ca. 1% der Wohnungen frei sind, fällt mir der Leerstand im Stadtbild auf. Er lag 2018 bei etwa 18% (zum Vergleich 2003 bei 30%). Bei 5-Geschossern führt dies meist dazu, dass mindestens eine Wohnung pro Hauseingang unbewohnt ist; so habe ich mich bei den Besichtigungen gefragt, wie es sich mit dem Wissen um leere Nebenräume lebt, ohne zu ahnen, dass ich dies auch bald erleben würde. Der Leerstand ist insbesondere mitten im Zentrum der Neustadt sicht- und spürbar. Denn dieses wird von fünf 11-geschossigen, langgezogenen Hochhäusern, den sogenannten “Scheiben”, dominiert, die als Gegenpol zu den historischen Türmen der Hallenser Altstadt konzipiert wurden. Nur eine der Scheiben ist derzeit bewohnt, zwei stehen leer, um die vierte – ein entkerntes Beton-Skelett – gibt es Auseinandersetzungen mit der Stadt um weitere Fördermittel, weil die Sanierung für den Investor teurer wurde als geplant. Die fünfte Scheibe wird für die Nutzung durch die Stadtverwaltung fertiggestellt, sodass tagsüber Baulärm die Umgebung dominiert. Dies führt zu einer merkwürdigen Mischung aus Stillstand und Veränderung.

Als ich dort zwischen zwei Besichtigungen auf einer Bank in der Einkaufspassage saß, wurde ich von einem älteren Deutschen angesprochen. Ich hätte ja ein gutes Fahrrad, seit “Corona” würde er ja nicht mehr ins anliegende Fitnessstudio gehen und daher mehr Rad fahren. Als ich daraufhin sagte, dass ich bald hierher ziehe, meinte er, ich solle gut auf mein Rad aufpassen und es nicht im Keller abschließen, sondern am besten mit in die Wohnung nehmen (den gleichen Rat bekam ich später von meinem Verwalter).

Es wäre ja der große Vorzug des Wohnens hier, dass er nahe von seinem Zuhause diese schöne Laube hätte. Auch das hörte ich später noch einmal: Ein seit Beginn der 1990iger hier Lebender (bosnischer Herkunft) erzählte mir, sehr froh um seine Laube zu sein. Hier könne er mit Freunden beim “Bierchen” sitzen, denn die Leute würde ja in der Neustadt eher nicht so viel draußen sein, was ihn als “Südländer” (so seine ironisch ausgesprochene Selbstbezeichnung) vor allem in jüngeren Jahren immer wieder irritiert hätte.

Ach, so weiter der ältere Radfahrer, das Fitnessstudio würde er wirklich vermissen, wobei er mir Fotos von ihm beim “Pumpen” zeigt mit stolzem Verweis darauf, dass er einmal der “stärkste Mann der NVA” gewesen sei. Herrlich, dachte ich mir, ich sollte auch später immer mal auf den Passagenbänken Mittag Essen und schauen, was passiert. Und tatsächlich, als ich mich kurz vor Abschluss dieses Textes noch einmal dort platzierte, war er auch wieder da, und wir tauschten kurz Neuigkeiten zu meinem Umzug und seinen sportlichen Aktivitäten aus.

In dieser Zeit unterhielt ich mich mit ganz unterschiedlichen Personen in meinem Umfeld über meine Wohnungssuche in der Neustadt, und ich spürte über das explizit Gesagte hinaus ob meines Planes oft eine gewisse Skepsis zwischen den Zeilen. Nicht-in-Halle-Lebende äußerten ihre Sorge, ob ich da nachts nicht Angst hätte oder ob der dort spürbare Frust aushaltbar wäre; es sei ja gut, die eigene Komfortzone zu verlassen, aber ich hätte ja auch keine Familie und entschiede selbstbestimmt. Personen, die schon sehr lange in Halle wohnen, sagten mir, ich solle mich vor dem “Südpark” hüten, da gäbe es Krawalle, welcher Art konnten sie mir auf Nachfrage nicht genauer erläutern. Später berichteten mir politisch Engagierte (und ich las im Netz nach), dass sich insbesondere die südliche Neustadt durch eine schwierige soziale Situation auszeichne, da dort alteingesessene, weiß-deutsche Bewohner*innen auf neu zugezogene, transnational Migrierte[15] träfen und das im Alltag verschiedenste Konflikte erzeuge. Auch würde man, erzählten mir wiederum jüngere Hallenser*innen, hier schon mit einem negativen Image der Neustadt aufwachsen. Z.B. würde ein Kind in einer Schule gehänselt, weil es als einziges aus der Neustadt käme; glücklicherweise machte im erzählten Fall die Lehrerin mit der Klasse ein Projekt vor Ort, um gegen die Vorurteile anzugehen.

Als Tenor lässt sich also heraushören, dass Halle-Neustadt, ähnlich wie andere Plattenbauviertel, im “schlechten Licht” steht, im auffälligen Kontrast zur Rolle der Vorzeige-Planstadt zu DDR-Zeiten. Nur wenige bejahten meine Umszugsidee mit vollem Herzen und wünschten mir Glück für den Neustart; sollte ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass die positiv auf meine Pläne antwortenden Menschen allesamt Personen waren, die in der DDR bzw. nicht in Westdeutschland aufgewachsen sind?          

Bild 4: “Der erste Morgen”

Anekdoten aus der Plattenbausiedlung – Einzug

Vor der Besichtigung der 3-Raum-Wohnung, für die ich mich letztlich entschieden habe, machte mich der Verwalter auf Folgendes aufmerksam. Bei einer Wohnungsgröße von über 50m2 könne man eines der Zimmer dauerhaft verschließen, da man ja als Single mit “Hartz-4” nicht über 50m2 bewohnen dürfe, das wäre hier gängige Praxis; ein weiteres Indiz dafür, wie stark die Immobilienunternehmen auf eine Mieter*innenschaft im ALG-2-Bezug eingestellt ist. Und tatsächlich habe ich mich, auch ohne im Bezug zu sein, dafür entschieden, ein Zimmer (vorerst) verschließen zu lassen. Wenn auch vor allem aus finanziellen Gründen überlegte ich mir zugleich, dass dies ein weiterer Aspekte der hiesigen “Wohnerlebens” sein könnte, auch wenn mir natürlich klar ist, dass meine ökonomische Lage nicht mit derjenigen einer von ALG-2 lebenden Person zu vergleichen ist. Nun wohne ich also mit einem “Zimmer-Geist” zusammen, was mir überraschenderweise schon noch einigen Tagen nicht mehr auffiel.

Ähnlich, wie es bei vielen fragende Gesichter hervorgerufen hat, sich für den Umzug in eine Stadt zu entscheiden, ohne dort einen Arbeitsvertrag zu haben oder mindestens eine Paarbeziehung, scheint es nicht gerade üblich in meiner sozialen Position, in die Neustadt zu ziehen. So meinte der wohl bis zur Unterschrift noch nicht an meinen Einzug glaubende Verwalter zur mir: “So jemanden wie sie hatten wir hier auch noch nicht.” Und, wie es der Zufall will, hat seine Assistentin beim Übertrag meiner Personalausweisdaten in den Mietvertrag meinen Doktortitel verschwinden lassen. Meine Mutter hatte mich bereits vorher gefragt, ob ich denn meinen Titel an das Klingelschild schreiben würde (was ich selbst bereits vorab für mich ausgeschlossen hatte), denn da fühlten sich die Nachbar*innen bestimmt beobachtet. Und so bin ich nun also seit mit meinem Einzug in den einst sozialistischen Plattenbau titellos.

Wie privilegiert ich natürlich bin, zeigt sich etwa daran, dass ich mir meinen Wohnungsgeber bewusst ausgesucht und keine Wohnung durch die Stadt zugewiesen bekommen habe oder durch Gutschein-Angebote an einen “Immobilienhai” geraten bin. Außerdem bewohne ich (berechnet ohne Küche und Bad) ca. 40m2, zu DDR-Zeiten wurden 11m2/Person im Neubau kalkuliert, in den Wohnheimen der Vertragsarbeiter*innen waren es gar nur 5m2/Person. Und so lässt sich vom Leben zu Ost-Zeiten in der Wohnung selbst nicht mehr allzu viel spüren, die typischen Durchreichen sind zum Großteil bei Sanierungen entfernt worden, und auch die Heizungen lassen sich regulieren. Jedoch ist ein sehr auffälliges Detail das Dauerrauschen der Lüftung, die von 4.30 Uhr morgens bis 21.30 Uhr durchläuft und damit wohl immer noch auf den Schlafrhythmus von Arbeiter*innen programmiert ist.

Bild 5: “Bei Nacht” (Bild Nora F. Hoffmann)

Auch in der Betrachtung meiner Nachbar*innen fällt mir auf, wie ich mich zuweilen von ihnen unterscheide. So hat etwa eine Umzugshelferin während meines zweistündigen Einzugs gesehen, wie “bestimmt mehrere 100 Liter Softdrinks” ins Haus getragen wurden, ich habe bisher keinen einzigen Liter die 13 Etagen hinaufgebracht. Und bei den durchweg sehr freundlichen Begegnungen in Flur und Fahrstuhl – wo mir stets hilfsbereit die Tür aufgehalten wird, schon mal über das tolle Schneewetter geschnackt oder ein Scherz gemacht wird – bin ich die einzige Person, die eine FFP2-Maske trägt. Bisher habe ich der “Versuchung” widerstanden, mich den Gepflogenheiten anzupassen, was ich unter nichtpandemischen Umständen wahrscheinlich getan hätte; nun ja, die sozialen Unterschiede sind eben zutiefst körperlich. Meine neue Strategie ist es nun, bei passenden Gelegenheiten anzusprechen, dass ich mir doch komisch vorkäme, als einzige Maske zu tragen, es aber eben wichtig fände. Dies führte auch schon zu einem kurzen Austausch über aufgehängte Regeln der Hausverwaltung sowie zum Lamentieren eines Nachbarn über den verpassten “Maulkorb”.

Anekdoten aus der Plattenbausiedlung – Wohnen im “Vogelnest”

Das für mich beeindruckendste an meiner Wohnung ist ihre hohe Lage. Interessanterweise fragt fast jede*r, die*der ich stolz davon erzähle, dass ich in die 13. Etage gezogen bin, ob es einen Fahrstuhl gäbe. Und einer der Umzugshelfer bezeichnete diese Lage direkt unter dem Dach als “Vogelnest”, was ich freudig bejahte, und auch während ich diese Zeilen schreibe, fliegen immer wieder unterschiedliche Vögel unmittelbar am Fenster vorbei; zuweilen auch ganz Schwärme. Nicht nur dies, sondern insbesondere auch den nächtlichen Ausblick auf die Dächer HaNeus genieße ich täglich aufs Neue. Es ist letztlich dieser Blick, in den ich mich bereits bei der Besichtigung verliebt habe. Mit ihm können die Gedanken schweifen. Zugleich verschleiert diese Vogelperspektive zuweilen auch den Blick auf die Realität. Denn es wird einer leicht gemacht, bei diesem Horizont die Realität aus den Augen zu verlieren.

Bild 6: “Vogelwelten”

Spätestens jedoch bei fast jedem Gang nach Draußen werde ich daran erinnert, wo ich “gelandet” bin; dies etwa beim Entdecken eines neuen Tags gegenüber der zukünftigen Stadtverwaltung, das meterlang proklamiert “Halle bleibt deutsch” und “Fuck Antifa”. Auch die freundliche Frau, mit der ich beim Warten auf die Tram länger sprach, überraschte mich letztlich. Zunächst erzählte sie mir, dass sie zwischendrin ja schon “überall” gewohnt hätte, “auch im Westen”, um dann nach Halle zurückzukehren. Dabei sei sie nicht in die Südstadt gezogen, woran sie schlechte Kindheitserinnerungen habe, sondern nach HaNeu und sehr froh darum. Allerdings, sagte sie mit gesenkter Stimme zum Ende unseres Gesprächs (das derweil in der Tram weiterging), ein Problem seien die “neuen Mitbürger”. Als ich nachfrage, was das Problem sei, meinte sie wegen der “Lautstärke”, “es ist ja alles so dreckig”, “die stinken” und “man müsse ja die Scheiße nicht an die Wände schmieren” (!). Und überhaupt, die Mülltrennung würden sie auch nicht richtig machen. Ich frage nach, vielleicht könne man mal mit ihnen sprechen? Und ggf. die Mülltrennung erklären, das sei ja auch erst mal kompliziert, bzw. vielleicht müsse man den Sinn mehr erläutern? Sie winkt ab mit dem Tenor, dass da nichts zu machen sei, es stünde ja bei den Mülleimern nicht nur auf Deutsch erklärt. Dann wechselt sie das Thema, wahrscheinlich weil sie merkte, dass sie bei solchen Aussagen entgegen unserem bisherigen Gesprächsverlauf keine Zustimmung von mir erhielt. Als sie kurz vor ihrer Haltestelle aufsteht, versuche ich es noch einmal mit dem Vorschlag, man könne ja vielleicht mit den “neuen Mitbürgern” mehr reden? Immerhin, (aber das dachte ich mir nur), ist sie ja eine offene Person, die mich angesprochen hatte. Sie antwortet mit einem Lächeln: “ich war sieben Jahre mit so einem verheiratet”, sie hätte genug gesprochen. Woraufhin ich nur reagieren konnte, dass ja nicht alle Männer gleich seien. Wir lächeln uns zum Abschied an.

Später ärgert es mich, dass ich, wenn auch in distanzierter Sprechweise, dennoch ihren Begriff der “neuen Mitbürger” aufgegriffen habe. Intuitiv war es wahrscheinlich als ein Auf-Sie-Zugehen gemeint, aber letztlich habe ich mich damit auf ihre Rahmenerzählung eingelassen, was ich mir vornehme, zukünftig nicht wieder zu tun. – Auch ich werde hier also täglich mit anderen Welten konfrontiert; und so wird mir hoffentlich am Ende meine analytische Distanz auch dabei helfen können, dieses Gehörte zu verdauen. Der Inhalt der Aussagen hat mich selbstverständlich nicht überrascht, das ist bekannt. Überrascht war ich aber dennoch von der Deutlichkeit, mit der sie mir ins Gesicht gesagt wurden. Vermittele ich den Eindruck, man könne mir so etwas mitteilen, nur weil ich auch eine “Kartoffel” bin?

Bild 7: “Er rührte an den Schlaf der Welt” (Silikatmalerei 1971, Erich Enge)

Die Perspektiven wechseln!?

Es birgt eben nicht nur Chancen auf Erkenntnisgewinn und spannende Einblicke, wenn man andere Perspektiven hört[16], sondern ich werde wahrscheinlich immer wieder beim Zuhören an Grenzen kommen, wo ich nicht mehr bereit bin, etwas unkommentiert zu lassen. Auch frage ich mich, wie sich meine Perspektive auf das Wohnen im “Plattenbau”[17] entwickeln wird? In meiner Kindheit wurde mir eine abgrenzende Haltung gegenüber Wohnblöcken vermittelt: “mit den Kindern ausm Block spielt ihr aber nicht” hieß es einst in unserer Siedlung, in deren Nähe es 5-Geschosser gab. Bereits nach vier Wochen möchte ich – jenseits des von Anbeginn geschätzten Ausblicks – die weite Räumlichkeit zwischen den Gebäuden, interessant gestaltete Brunnen, die Skulpturen und die Kunst am Bau ebenso wie die Nähe zu den Einkaufsmöglichkeiten und zum Naherholungsgebiet nicht mehr missen. Hier ließe sich auch an eine der viel diskutierten Fragen einer Sozialforschung nach Bourdieu anschließen: Ist der Habitus transformierbar, ist das selbstbestimmt möglich, und (wie) lässt sich dieser Prozess überhaupt in den Blick nehmen?[18] Ich werden aber nun abschließend keine weiteren Überlegungen anstellen, was der Perspektivenwechsel zukünftig für mich offenbaren mag. Auch steht die Antwort auf meine derzeit brennendste Frage, wie ich mich hier gesellschaftspolitisch einbringen werde[19] (denn auch das war von Anbeginn an ein Grund hierher zu ziehen), auf einem anderen Blatt. Mein nächster Schritt der Annäherung an HaNeu ist nun u.a. der gezielte Austausch mit sozialen Einrichtungen und mit künstlerisch sowie historisch Tätigen. Anstatt also an dieser Stelle, wo es nun erst richtig los geht, ein schließendes Fazit zu formulieren, offeriere ich stattdessen eine kleine Auswahl an partizipativer, jugendhistorischer und künstlerisch-musikalischer Auseinandersetzungen zur eigenen Weiterbeschäftigung mit dem Thema “Leben in der Plattenbausiedlung”:

  • Kaleidoskop Südpark, partizipatives Stadtteilprojekt, 2019, “ist ein offenes und unabhängiges Format. Es verfolgt das Ziel mit Menschen vor Ort an Fragestellungen zu arbeiten, die ihr unmittelbares urbanes Lebensumfeld betreffen …”
  • Rebellion im Plattenbau, Die Offene Arbeit in Halle Neustadt 1977-1983, Ausstellung, 2014
  • Nachweis für Besiedlung, Ausstellungsprojekt, werkleitz, 2014, “… ist eine Sammlung von Dingen aus Halle-Neustädter Alltagskultur, die seit 2004 stetig anwächst …”
  • Wer bleibt, eine Comicreportage aus Halle-Neustadt, Ulli Lust, 2008
  • Hotel Neustadt, Thalia Theater, 2003, “… ist eine Vision die im Sommer 2003 entstand. Ein Hotel in einem leerstehenden Hochhaus. Geführt, geplant und gebaut von Jugendlichen der Stadt Halle Saale und ein internationales Theaterfestival …”

Deutschrap zur “Platte” (ohne HaNeu-Bezug)

Bild 8: “Ohne Worte”

PS.: Wer von den Lesenden neugierig auf die Neustadt Halles geworden ist, ich stehe für eine gemeinsame Erkundung HaNeus sehr gerne zur Verfügung: heikekanter@posteo.de.

Und last but not least zum Begriff weiß:

Mit dem Begriff weiß in kursiver, kleiner Zeichensetzung ist keine Hautfarbe beschrieben, sondern er benennt explizit die privilegierte, machtvolle Position der damit (selbst-)bezeichneten Personen in unserer rassistischen Gesellschaft.

Literatur

Bonk, S., Key, F. & Pasternack, P. (Hrsg.) (2020). Rebellion im Plattenbau. Die Offene Arbeit in Halle-Neustadt 1977–1983. Katalog zur Ausstellung, Halle-Wittenberg 2013.

Breuer, F., Mey, G. & Mruck, K. (2011). Subjektivität und Selbst-/Reflexivität in der Grounded-Theory-Methodologie. In G. Mey & K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader (2. Aufl., S.427-448). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften

Hoffmann, N.F. (i.E.): “Ankommen” in der postmigrantischen Gesellschaft. Die Analyse von Raumkonstitutionen an neuen Lebensorten aus einer Prozessperspektive. Zeitschrift für Qualitative Forschung, 21(1).

Jahoda, M., Lazarsfeld, P. F. & Zeisel, H. (1975). Die Arbeitslosen von Marienthal – Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit. Frankfurt/M.: suhrkamp.

Kanter, H. (2020). Dem (eigenen) Lehren “auf die Spur” kommen: das Tagebuch als Erhebungsmethode im Rahmen einer praxeologischen Erforschung von Lehre. Zeitschrift für Qualitative Forschung, 21(1), S. 121-138, https://doi.org/10.3224/zqf.v21i1.08

Lenger, A. , Schneicker C. & Schumacher, F. (Hrsg.) (2013). Pierre Bourdieus Konzeption des Habitus Grundlagen, Zugänge, Forschungsperspektiven. Wiesbaden: Springer.

Mey, G. & Kanter, H. (2020). Reflexionsformate zu Lehre und Lernen verstetigen. Erfahrungen mit den campusweiten Reflexionstagen an der Hochschule Magdeburg-Stendal. In B. Berendt, A. Fleischmann, N. Schaper, B. Szczyrba, M. Wiemer & J. Wildt (Hrsg.), Neues Handbuch Hochschullehre. Berlin: DUZ Verlags- und Medienhaus, https://bit.ly/3aJB0IN.

Peer Pasternack (Hrsg.) (2014). 50 Jahre Streitfall Halle-Neustadt Idee und Experiment. Lebensort und Provokation. Halle: Mitteldeutscher Verlag.

Ploder, A. & Stadlbauer, J. (2016). Strong Reflexivity and its Critics: Responses to Autoethnography in the German-speaking Cultural and Social Sciences, Qualitative Inquiry, 22(9), 753-765.

Przyborski, A. & Wohlrab-Sahr, M.(2014). Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch (4. Aufl.). München: Oldenbourg.

Roth, W.-M. & von Unger, H. (2018). Current Perspectives on Research Ethics in Qualitative Research. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 19(3), Art. 17. http://dx.doi.org/10.17169/fqs-19.3.3155.

Winkler, N. et al. (2020): “Am Treff” in Halle-Neustadt: ethnographische Einblicke in die dynamische Entwicklung einer ostdeutschen Großwohnsiedlung. MLU Human Geography Working Paper Series, Issue 1.

Bilder

Sofern es nicht anders angegeben ist, stammen alle Bilder von der Autorin.


[1] Ich danke Nora F. Hoffmann und Lisa Janotta für ihre kritische Kommentierung. <zurück>

[2] Quelle: Von OpenTopoMap design, Pomfuttge. Diese PNG-Rastergrafik wurde mit QGIS erstellt. Möglicherweise findet sich eine Seite auf der OpenStreetMap Wiki-Seite für OpenTopoMap, CC BY-SA 3.0, [https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98054897,  zuletzt abgerufen am 2. März 2021]. <zurück>

[3] Vgl. die 2020 ausgerichtete Tagung: Ostmoderne. Denkmal Wert? Baukulturelle Betrachtung der Nachkriegsarchitektur in der DDR – damals und heute [https://bhu.de/veranstaltung/ostmoderne/, zuletzt abgerufen 23. Februar 2021]. <zurück>

[4] Zwar mit einem Fragezeichen versehen, ist der Tenor der ZDF-Dokumentation “Endstation Plattenbau? Wo die Armut wohnt” (2017) dennoch alles andere als positiv und konterkariert damit die Aussagen der Protagonist*innen [https://www.youtube.com/watch?v=E5wPfaZV_Lg, zuletzt abgerufen 23. Februar 2021]. <zurück>

[5] Peer Pasternack formuliert es folgendermaßen: “Halle-Neustadt sollte vieles sein (…) sozialistische Chemiearbeiter-Modellgroßstadt für die Jugend” (in Bonk et al. 2020, S.16). <zurück>

[6] Vgl. Winkler et al. (2020). <zurück>

[7] Breuer, Mey und Mruck (2011). <zurück>

[8] Kanter (2020). <zurück>

[9] Ursprünglich hatte ich formuliert: “als Teil meines hiesigen Alltags ‘integrieren’ kann”, wobei die Anführungszeichen dafür standen, dass ich an dem Begriff noch feilen wollte. Da ich selbst mit meinem Umzug einen innerdeutschen “Migrationsprozess” (von Westdeutschland über Berlin nach Ostdeutschland) durchlaufen habe, gilt es auch immer zu differenzieren, woher meine “Fremdheit” rührt. wenn sie sich auch selbstverständlich nicht auf eine regionale Sozialisation reduzieren lässt. (Ich danke Nora F. Hoffmann für diesen wichtigen Hinweis.) Vgl. zur Differenzierung von Migrationsprozessen auch Hoffmann (i.E.) sowie die Debatte um die Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede der Erfahrungen von transnationalen Migrant*innen und Ostdeutschen [https://taz.de/Schwerpunkt-Ostdeutsche-und-Migranten/!t5516941/, zuletzt abgerufen 28. Februar 2021]. <zurück>

[10] Vgl. Winkler (2020) sowie Pasternack (2014). <zurück>

[11] Przyborski und Wohlrab-Sahr (2014). <zurück>

[12] Vgl. das Habilitationsprojekt von Nora F. Hoffmann, die mit einem triangulativen Ansatz das Ankommen von Menschen an neuen Orten erforscht, mit einem spezifischen Blick auf transnationale vs. innerdeutsche Migrationsprozesse, vgl. auch Hoffmann  (i.E.). <zurück>

[13] Vgl. zu den Auseinandersetzungen um Autoethnographie u.a. Ploder und Stadlbauer (2016). <zurück>

[14] Zur Diskussion um die Komplexität einer informierten Einwilligung auch den FQS-Schwerpunkt zur Forschungsethik (Roth & von Unger 2018). <zurück>

[15] Zu DDR-Zeiten wohnten in Halle-Neustadt ausländische Studierende sowie Vertragsarbeiter*innen, die aus den sozialistischen Bruderstaaten, insbesondere Vietnam, Mozambique und Kuba in die DDR kamen, um dort eine Ausbildung zu erhalten bzw. ab den 1980iger Jahren vermehrt, um den Arbeitskräftemangel auszugleichen. Allerdings wohnten sie von der restlichen Gesellschaft abgeschottet in Wohnheimen, und Begegnungen fanden zum Großteil nur im Betrieb sowie zu organisierten Anlässen statt. Viele der Vertragsarbeitenden mussten dann, wenn nicht ohnehin schon vorher, mit der Wende das Land verlassen (vgl. zur Geschichte der Vertragsarbeit die zu Recht mit dem Grimme Award ausgezeichnete Web-Dokumentation Eigensinn im Bruderland http://www.bruderland.de mit zahlreichen weiterführenden Informationen). Heute haben in den Neubausiedlungen Halles um die 20% der Menschen eine Migrations- bzw. Fluchtgeschichte. <zurück>

[16] Vgl. u.a. Mey und Kanter (2020). <zurück>

[17] Nach mehreren weiteren Gesprächen und Lektüren weiß ich nun einen Monat später, dass bereits das Verwenden des Begriffs “Plattenbau” oder “Platte” zuweilen negativ aufgefasst wird und insbesondere diejenigen, die in der DDR sozialisiert wurden, eher von “Neubau” sprechen. <zurück>

[18] Lenger, Schneicker und Schumacher (2013). <zurück>

[19] Vgl. die Pionier-Studie, die sich sozial eingemischt hat: Jahoda, Lazarsfeld und Zeisel (1975). <zurück>