Es gab eine Zeit, da war Fußball noch kein Multimilliarden-Geschäft und es war auch noch nicht statthaft, im Forschungsbetrieb zu seiner Fußballleidenschaft zu stehen. Berlin war Fußballprovinz mit einer Hertha überwiegend in der zweiten  Liga. Hertha hatte ein Problem mit rechten Gruppen, auch wenn die Verantwortlichen das niemals zugegeben hätten. Mitte der 1990er Jahre änderte sich all dies langsam. Und so gab es dann 75000 Zuschauer*innen in der zweiten Liga gegen Kaiserslautern und den Aufstieg in die Bundesliga 1997 unter Jürgen Röber. Fußballfrühling in Berlin.

Das war die Zeit in der ich – als nicht mehr ganz so junger Student – und der wissenschaftliche Mitarbeiter Günter uns an der TU Berlin kennenlernten. Erst als Student und Dozent, später als ich und Günters Kollegin Bea sich verliebten auch persönlicher, mit dem Erkennen des gemeinsamen Interesses am Fußball. Und so kam es nach Herthas Aufstieg unvermeidlich zu der Frage: „Wollen wir uns eine Dauerkarte für Hertha kaufen?“ Natürlich nicht wegen Hertha BSC, sondern wegen des Bundesligafußballs. Denn Hertha war und blieb trotz der Großstadt irgendwie auch immer ein Provinzverein. Also ging es ins Stadion. Oberring auf Höhe der Mittellinie, weil man von dort die Strategie des Spiels am besten beobachten konnte, aber wohl auch wegen des guten Preis-Leistungs-Verhältnisses. Und so stand dem Fußballvergnügen nichts mehr im Wege, zumal Fußball auch in Berlin zunehmend familientauglich wurde. Wir lernten die Mannschaft kennen, fieberten mit und waren wohl irgendwann auch so etwas wie ein Teil der Fangemeinschaft von Hertha. Wir erlebten Höhen und Tiefen von Hertha. Manch kalte Tage im Winter mit Langeweile und nicht bundesligatauglichem Fußball. Champions League, aber auch Kampf gegen den Abstieg. Brasilianische Zauberer und auch all zu oft Rumpelfußball. Trainer kamen und gingen. Wir blieben.

Auch weil es eben nicht nur um Fußball ging. Sich alle 14 Tage zu treffen mit einem Freund war schön, bereichernd und auch ein Luxus mit irgendwann vier kleinen Kindern. Nach Spielen an Samstagen ging es ins Wiener Café zu Kuchen und Kaffee, bei Abendspielen in die Kneipe zum Wein trinken. Wir redeten über das Spiel, Fußball allgemein, die Familie, Politik oder was uns sonst so bewegt hat. Und zu reden gab es viel. Promotion, Habilitation, Forschung, Diplom, zwei Kinder, Hochzeit, Hausbau, und was an Alltäglichem bei uns sonst so passierte. Auch die Politik hatte einiges zu bieten. Das Ende der Ära Kohl, Rot-Grün mit all den Hoffnungen und Enttäuschungen, Währungsunion, 9/11, die folgenden Kriege.

Und doch kam irgendwann die Zeit, als der Fußball nicht mehr so recht in das komplexer werdende Leben passte, als es immer schwerer wurde die Wochenenden alle 14 Tage freizuhalten. Und so wurde, ich glaube es war 2007, keine Dauerkarte mehr gekauft. Es gab Pläne für gemeinsame Theater oder Kinobesuche, denn auch das waren durchaus gemeinsame Interessen. Aber in den sich immer weiter auseinanderentwickelnden Leben mit Günters Professur, dem Institut, der Forschung und meinen vier Kindern, Arbeit, Lehrtherapeutentätigkeit, fand sich dafür immer weniger Platz. Und obwohl sich die Tätigkeitsfelder mit Günter als Professor im Bereich der Reha-Psychologie und  meinem als Praktiker im Bereich der beruflichen Rehabilitation durchaus überschnitten, gingen wir uns verloren.

Was bleibt ist die Erinnerung an eine Zeit gemeinsamen Lebens. Bereichernd, anregend, unterhaltsam mit  guten und schlechten Zeiten. Eine Zeit, in der wir beide unseren Platz im Leben gefunden haben. Was bleibt ist Dankbarkeit für die Zeit und für den Anteil, den Günter an meiner Entwicklung genommen hat.

Was bleibt, ist sich für Dich, lieber Günter zu freuen, dass Du da angekommen bist, wo Du immer hin wolltest. Dass Du an Deinem 60. Geburtstag Deinen Platz gefunden zu haben scheinst.

Also alles Gute zu Deinem 60. Geburtstag und den Wunsch, dass noch viele kreative Jahre folgen.

In Freundschaft Torsten